Last Updated: 17. November 2022

SCIENTISTS WARNING EUROPE

WELTBEVÖLKERUNGSTAGE DER SCIENTISTS WARNING EUROPE
SPITZENWISSENSCHAFTLER FORDERN NEUES UN-NACHHALTIGKEITSZIEL BETREFFEND DEM BEVÖLKERUNGSWACHSTUM

Eine Gruppe angesehener Wissenschaftler hat zu raschen Massnahmen aufgerufen, um das nicht nachhaltige Bevölkerungswachstum umzukehren, da globale Kipppunkte und ökologische Grenzen deutlicher werden. Die Daten wurden an einer Online-Konferenz vorgestellt, die von Scientists Warning Europe anlässlich des diesjährigen Weltbevölkerungstages am 11. Juli organisiert wurde.

Der ökologische Fussabdruck des Menschen beträgt bereits 170 Prozent der erneuerbaren Biokapazität der Erde. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, hat gewarnt: „Die Menschheit führt Krieg gegen die Natur“. Das ist selbstmörderisch. Frieden mit der Natur zu schliessen, ist die bestimmende Aufgabe des 21. Jahrhunderts.

Weltweit wird der grösste Teil des prognostizierten Bevölkerungswachstums in den ärmsten Ländern stattfinden, was ihre Armut vergrössert und sie anfällig für Hunger und weitere Konflikte macht. Infrastruktur und die Schaffung von Arbeitsplätzen können mit dem Wachstum nicht Schritt halten. Auch Länder mit hohem Konsum müssen handeln. Eine Rückkehr zum „Business as usual“ kann nicht toleriert werden.

Dr. William Rees, emeritierter Professor an der University of British Columbia und Urheber der globalen, ökologischen Fussabdruckberechnungen, sagte: „Die Welt befindet sich in einem ökologischen Overshooting, in dem Konsum und Abfallproduktion von zu vielen Menschen die Regenerations- und Abfallabbaukapazitäten des Planeten bei weitem übersteigt.

„Wir sollten entsetzt sein, dass wachstumsorientierte Mainstream-Wirtschaftsmodelle keine nützlichen Informationen über die Dynamik von Ökosystemen oder auch von sozialen Systemen enthalten, mit denen die Wirtschaft in der realen Welt interagiert.  Manchmal sind unsere gesellschaftlichen Konstrukte kaum mehr als gemeinsame Illusionen.“

Ohne fossile Brennstoffe stehen wir vor einer stark reduzierten Energiezukunft. Moderne „erneuerbare Energien“ können das bisherige Volumen nicht ersetzen – wir müssen weniger verbrauchen. Der Mensch ist der grösste Verbraucher in allen wichtigen Ökosystemen der Welt. Wir können uns nicht von der Natur abkoppeln. Wir stehen vor einem chaotischen Zusammenbruch oder einer Chance für einen intelligenteren, gut geplanten, geordneten Übergang.“

„So wie der Weltklimarat (IPCC) sich Ziele gesetzt hat, wie viel und bis wann wir unsere Klimaemissionen reduzieren sollten, müssen wir eine Strategie und einen Zeitrahmen entwickeln, um ein nachhaltiges Bevölkerungswachstum zu erreichen. Bei einem vernünftigen Lebensstandard sind vielleicht 1 bis 2 Milliarden langfristig realistisch», so Tucker. Dr. Chris Tucker, Vorsitzender der American Geographical Society, sagte zudem: „Es ist entscheidend, dass die wissenschaftliche Weltgemeinschaft einen Konsens mit den Staats- und Regierungschefs der Welt und einen Dialog mit den Bürgern darüber erreicht, wie viele Menschen die Erde langfristig erhalten kann, wenn wir unsere Klima- und ökologische Krise bewältigen wollen.“

Dr. Tucker schlägt vor, dass wir vor 2030 eine Gesamtfertilitätsrate von 1,5 pro Frau erreichen. Die Gesamtfertilitätsrate einer Bevölkerung ist die durchschnittliche Anzahl von Kindern, die von einer Frau im Laufe ihres Lebens geboren werden. Derzeit beträgt diese etwas mehr als 2.4 pro Frau.  Um eine stabile Bevölkerungsgrösse zu erreichen wären 2,1 Kinder pro Frau zwar möglich, aber unser Bevölkerungswachstum ist so stark, dass zuerst niedrigere Gesamtfertilitätsraten erforderlich sind, um später ein nachhaltiges Gleichgewicht zu erreichen.

Professor Phoebe Barnard von der University of Washington und der University of Cape Town stellt fest: „Die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) 2015 – 2030 der Vereinten Nationen sind eine Wunschliste von Bestrebungen zu mehr Nachhaltigkeit. Die meisten SDGs sind direkt an die zugrunde liegenden Bevölkerungszahlen gekoppelt, aber dies wurde von weltweit führenden Politikern und Wirtschaftsführern konsequent an den Rand gedrängt.“

„Welche Art von Führung hat uns in die missliche Lage gebracht, in der wir uns heute befinden?  Und welche Art von Führungs- und Wirtschaftssystem braucht es, um in Zukunft nachhaltig zu leben?  Wir haben keine Zeit mehr für Streitereien oder um mit dem Finger auf andere zu zeigen. Es ist Zeit für gemeinsame Anstrengungen in den Bereichen Bevölkerungsdichte, Konsum und planetaren Grenzen. Die Stimmen von Frauen aus der ganzen Welt wurden nicht ausreichend gehört“, so Barnard.

„Seit Mitte der 1990er Jahre hat die Ignoranz gegenüber Überbevölkerung den politischen Willen von Programmen ausgehebelt, welche der Gesundheit und den reproduktiven Rechten von Frauen dienten“, sagt Dr. Jane O’Sullivan, Honorary Senior Research Fellow an der University of Queensland, welche viele Mythen kritisiert, die vorgeschoben werden, um Bedenken über das Bevölkerungswachstum zu zerstreuen. „Alternde Bevölkerungen bedeuten nicht weniger Arbeiter, sie bedeuten, dass weniger arbeitslos sind. Eine schrumpfende Bevölkerung bietet viele Vorteile für gesündere, glücklichere, gleichberechtigtere und ökologisch nachhaltigere Gesellschaften» so O’Sullivan.

Sie fügt hinzu: „Freiwillige Familienplanungsprogramme waren die effektivsten Interventionen, die jemals zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung und zur Stärkung von Frauen durchgeführt wurden. Arme Länder kommen nicht weiter, wenn das Bevölkerungswachstum hoch bleibt. Es gibt keinen Fall von schnellem Rückgang der Fertilität ohne robuste Familienplanungsprogramme».

ANMERKUNGEN
Scientists Warning Europe hat sich aus der Outreach-Plattform des Umweltaktivisten Stuart Scott entwickelt, um die Scientists Warnings 2017 und 2019 zu fördern. Stuart kämpft gegen Krebs im Endstadium und entwickelte facingfuture.earth als Legacy-Projekt.

Scientists Warning Europe hat diverse Videos auf ihrem Youtube Kanal

Quellenangabe: www.scientistswarningeurope.org.uk

Kontaktaufnahme mit Scientists Warning Europe ed@scientistswarningeurope.org.uk

DIE REFERENTEN
Dr. William Rees (wrees@mail.ubc.ca) ist ein Bevölkerungs- und Umweltökonom, emeritierter Professor an der University of British Columbia; Fellow des Post-Carbon Institute; Gründungsdirektor der OneEarth Initiative. Er ist der Urheber und Mitentwickler (mit seinen Doktoranden) der „ökologischen Fussabdruckrechnung“. Dr. Rees wurde 2006 in die Royal Society of Canada gewählt und erhielt mehrere internationale Auszeichnungen, darunter den Blue Planet Prize.

Dr. Chris Tucker(tucker@americangeo.org) ist Vorsitzender der “American Geographical Society”, akademischer Geodatenstratege und Autor von Planet of 3 Billion: Mapping Humanity’s Long History of Ecological Destruction and Finding Our Way to a Resilient Future – A Global Citizen’s Guide to Saving the Planet. Er promovierte an der Columbia University New York. Siehe @PLANETucker und @Planet3Billion. @girlplanetearth.

Prof. Phoebe Barnard (phoebe.barnard@consbio.org) ist Ökologin des globalen Wandels, Associate Science, Policy Analyst und Affiliate Professor an der University of Washington Center for Environmental Politics https://depts.washington.edu/envirpol/faculty und ehrenamtliche wissenschaftliche Mitarbeiterin der University of Cape Town. Sie engagiert sich auch für die African Climate and Development Initiative und das Fitzpatrick Institute of African Ornithology. Sie leitet zusammen mit Chris Tucker, https://www.girlplanet.earth, einen globalen Frauendialog über Bevölkerung, Konsum und planetare Grenzen.

Dr Jane O’Sullivan (j.osullivan@uq.edu.au) ist Honorary Senior Research Fellow an der University of Queensland. Sie erforscht die ökologischen und wirtschaftlichen Auswirkungen des demografischen Wandels. Sie prangert die vielen Mythen und Falschaussagen an, welche immer wieder angeführt werden, um Bedenken über das Bevölkerungswachstum zu zerstreuen. Ausserdem leitet sie “The Overpopulation Project” mit den Professoren Frank Götmark und Philip Cafaro.

Quelle Bild: pixabay.com – Leovinus